Ruhe da oben! Wie du den inneren Kritiker zum Schweigen bringst
Kennst du diese innere Stimme, die ständig etwas an dir auszusetzen hat? Nichts an dir scheint ihr gut genug zu sein: Nicht deine Haare, nicht deine Ausbildung, nicht deine Beziehung, nicht dein Handeln …
Die gute Nachricht ist: Diese Stimme bist nicht du. Die schlechte: Sie ist trotzdem immer bei dir, in deinem Kopf.
Wir nennen diese Stimme den inneren Kritiker. Wie er entstand, was er beabsichtigt und wie du ihn ruhig(er) stellst, das erfährst du in diesem Artikel.
Wer ist der innere Kritiker?
Vielleicht hast du schon mal davon gehört, dass unsere Persönlichkeit sich aus vielen verschiedenen Teilpersönlichkeiten zusammensetzt. Das hat nichts mit Schizophrenie zu tun, sondern ist ganz normal.
Besonders deutlich wird uns das, wenn wir uns nicht entscheiden können: Eine Stimme in uns sagt dies, die andere das und wir fühlen uns innerlich zerrissen, wissen nicht, auf welche Stimme wir nun hören sollen.
Eine dieser – besonders präsenten – Stimmen in uns ist eben jener innerer Kritiker. Bei fast allen Menschen läuft der innere Kritiker wie ein Radiosender permanent im Hintergrund – mal lauter, mal leiser.
Der innere Kritiker ist die Stimme in uns, die an allem, was wir tun, sagen und machen etwas auszusetzen hat. Energetisch ist sie gegen uns gerichtet und sieht alles an uns in einem negativen Licht. Nie können wir es ihr Recht machen, weshalb sie auch häufig mit Perfektionismus einhergeht. Doch je mehr wir versuchen, alles richtig zu machen, desto stärker wird sie.
Allein zu erkennen, dass diese Stimme nur eine Stimme von vielen in uns ist, hat jedoch schon etwas Heilsames. Denn häufig denken wir, dass wir diese Stimme sind. Dabei ist es mit dem inneren Kritiker so wie mit allen Gedanken: Wir haben Gedanken, aber wir sind nicht unsere Gedanken (oder Stimmen).
Entstehung des inneren Kritikers
Der innere Kritiker entsteht bereits im Kindesalter. Auch er ist nicht eine einzige Stimme, sondern das Ergebnis all jener Stimmen bzw. Meinungen der wichtigsten Bezugspersonen aus unserer Vergangenheit: In erster Linie unsere Eltern, aber auch Großeltern, Lehrer:innen, naher Verwandter und Mitschüler:innen. Darüber hinaus spiegelt der innere Kritiker die Erwartungen der Gesellschaft, in der wir leben.
Diese Meinungen und Erwartungen haben wir internalisiert, um sicherzustellen, dass wir erfolgreich sind im Leben. Der innere Kritiker meint es also nicht böse mit uns. Im Gegenteil: Er will unser bestes. Leider schießt er dabei bei vielen Menschen über sein Ziel hinaus und beengt uns in unserem freien Ausdruck.
Situationen, in denen der innere Kritiker besonders aktiv ist
Insbesondere, wenn wir – im wahrsten Sinne des Wortes – in kritischen Situationen stecken, wird der innere Kritiker aktiv. Dann, wenn wir beispielsweise
- im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen,
- uns außerhalb unserer Komfortzone bewegen,
- von außen kritisiert werden,
- gestresst, übermüdet, überfordert oder
- von Menschen umgeben sind, die wir bewundern (und neben denen wir uns minderwertig fühlen).
In solchen Situationen sind wir nicht voll in unserer Kraft und haben der negativen Stimme weniger entgegenzusetzen, weshalb wir uns in solchen Situationen auch häufig schlecht fühlen.
Den inneren Kritiker erkennen
Niedergeschlagenheit und Wut bzw. Ablehnung gegenüber uns Selbst sind auch die wahrscheinlichsten Anzeichen dafür, dass unser Kritiker am Werk ist. Sie sind die Folge von Schuld und Scham, den Hauptwerkzeugen des inneren Kritikers.
Wenn du eines dieser Gefühle in dir wahrnimmst, dann werde ganz ruhig und frage dich:
- Wo in deinem Körper nimmst du dieses Gefühl wahr?
- Wie genau fühlt sich dieses Gefühl an?
- Was sagt der innere Kritiker? Welche(r) Gedanke(n) gehören zu diesem Gefühl?
Unsere Gefühle sind immer eine Folge unserer Gedanken, allerdings nehmen wir diese meist erst über das Gefühl bewusst wahr. Auch deshalb ist es so wichtig, dass du deine Gefühle ernst nimmst und aufmerksam in dich hinein lauschst. Welche Gedanken flüstert dir der innere Kritiker ins Ohr?
Funktionen des inneren Kritikers
Wie bereits erwähnt, ist die Absicht des inneren Kritikers dabei keineswegs negativ – auch wenn seine Folgen auf unsere Gefühlswelt dies meist sind. Vielmehr will der innere Kritiker uns schützen und unseren Erfolg in der Gesellschaft sichern.
Er zielt darauf ab, dass wir uns an die bestehenden Regeln halten und so Sicherheit gewinnen. Durch seine vorwegnehmende Ablehnung uns selbst gegenüber will er uns gegenüber möglicher Ablehnung durch andere immunisieren.
Auch Leistungs- und Motivationssteigerung kann seine Absicht sein. Nämlich dann, wenn er uns antreibt, es noch besser zu machen und auf Mängel und Optimierungspotential hinweist.
Zudem will er sicherstellen, dass wir moralisch einwandfrei leben, indem er uns Schuldgefühle macht, wenn wir entsprechende Regeln missachtet haben. Durch die negativen Gefühle sollen wir unsere Schuld „büßen“. Leider hat dies – wie bei der Beichte – nur den Effekt, dass wir statt uns um echte Ent-schuldigung zu bemühen, die vermeintliche Missetat erneut begehen – wir haben ja schließlich „gebüßt“.
Eine weitere Funktion des Kritikers kann es sein, uns – ähnlich wie bei der Ablehnung durch andere – durch vorwegnehmende Demütigung vor Misserfolg zu schützen. Wenn der innere Kritiker uns einflüstert, dass wir etwas ja sowieso nicht schaffen, dann brauchen wir auch nicht das Risiko eingehen, womöglich mit unseren Vorhaben zu scheitern.
Je nachdem, wie stark unser innerer Kritiker ausgeprägt ist, hält er uns durch diese Maßnahmen jedoch sehr klein und begrenzt. Wir können unser volles Potential nicht entfalten, weil er uns schon bevor wir überhaupt versuchen zu fliegen, die Flügel stutzt.
Der Preis eines starken inneren Kritikers
Wenn du herausfinden willst, wovon dein innerer Kritiker dich abhält, dann ergänze spontan folgende Sätze:
- Wenn ich sicher wüsste, dass es allen anderen egal ist, was ich tue, dann würde ich …
- Wenn ich sicher sein könnte, dass ich Erfolg hätte, dann würde ich …
- Wenn ich vollkommen überzeugt davon wäre, dass ich ein guter Mensch bin und alles richtig mache, dann würde ich …
Frage dich, ob du weiterhin bereit bist, diese(n) Preis(e) zu bezahlen. Wenn nicht, dann bist du bereit, den nächsten Schritt zu gehen und dich von den Forderungen des inneren Kritikers zu lösen.
Dem inneren Kritiker auf die Schliche kommen
Wenn wir uns befreien wollen, ist es ungemein wichtig, dass wir dem inneren Kritiker auf die Schliche kommen. Wir müssen uns darüber bewusst werden, welche Regeln und Forderungen der innere Kritiker hat und ob wir diese Regeln und Forderungen wirklich befolgen wollen.
Um dem inneren Kritiker auf die Schliche zu kommen, kannst du folgende Übungen machen:
- Schreib’ dir die nächsten 1-3 Tage alle negativen Gedanken und Kommentare auf, die du hast. Denk daran, dass wir uns unserer Gedanken häufig erst über unsere Gefühle bewusst werden. Nimm also immer wahr, wenn du dich traurig, niedergeschlagen, wütend oder schuldig fühlst und frage dich dann welcher Gedanke dieses Gefühl in dir ausgelöst haben könnte.
- Frage dich:
- Welche ausgesprochenen oder unausgesprochenen Wertungen hatte meine Mutter über mich?
- Welche ausgesprochenen oder unausgesprochenen Wertungen hatte mein Vater über mich?
- Was haben wichtige Bezugspersonen an mir kritisiert?
- Wie sollten Menschen nach Meinung meiner Eltern auf keinen Fall sein?
- Welche Eigenschaften fanden deine Freund:innen und Klassenkamerad:innen in Schulzeiten verachtenswert?
- Wie sollten Menschen nach Meinung deiner aktuell wichtigsten Bezugspersonen auf keinen Fall sein?
Wie du dich vom inneren Kritiker löst
Als Ergebnis wirst du ein ganzes Set an Regeln und Erwartungen vorfinden, die deinem inneren Kritiker Nahrung geben. Gehe alle diese Regeln und Forderungen durch und frage dich, ob du diese Regeln wirklich befolgen willst. Stimmen sie mit deinen eigenen Werten und Wünschen überein? Wenn nicht, dann löse dich von ihnen – gerne auch symbolisch. Schreibe sie zum Beispiel auf einen Zettel und zerreiße oder verbrenne ihn.
Vergiß dabei nicht, dich gleichzeitig für alles zu bedanken, was dein innerer Kritiker für dich getan hat. Denn auch wenn du das Gefühl hast, das sie heute nicht mehr zu deinem Leben passen, so haben sie dir in der Vergangenheit doch gute Dienste geleistet. Sei dir auch der positiven Absicht bewusst, die hinter den Forderungen des inneren Kritikers stecken. So kannst du leichter loslassen.
Mach deinen inneren Kritiker zu deinem Freund
Sei dir jedoch bewusst, dass du den inneren Kritiker wahrscheinlich nie ganz los werden wirst. Und das ist auch gut so, denn wie wir gesehen haben, erfüllt er wichtige Funktionen. Mache dir den inneren Kritiker daher zum Freund. Wann immer er in Zukunft seine Stimme erhebt, setz dich hin und gehe – am besten schriftlich – mit ihm in den Dialog. Frage ihn:
- Was regt dich auf? Wovor hast du Angst? Worauf bist du wütend?
- Was brauchst du von mir? Womit kann ich dich beruhigen?
Allein das Zuhören und ernst nehmen, nimmt dem inneren Kritiker seine Munition. Denk dabei auch daran, dass du nicht dein innerer Kritiker bist und frei entschieden kannst. Vielleicht bist du bereit, den Bedürfnissen des inneren Kritikers nachzukommen, vielleicht auch nicht. Vielleicht gibt es dann einen Kompromiss oder du entscheidest dich bewusst dafür, nicht auf die Wünsche des inneren Kritikers einzugehen. Solange du jedoch in wohlmeinendem Kontakt mit ihm stehst, ist seine Macht über dich deutlich geringer. Genieße diesen Prozess!
Bringe den inneren Kritiker zum Schweigen
Wenn du dich von deinem inneren Kritiker befreien und endlich deine Ziele erreichen willst, dann bewirb dich für ein Coaching mit mir: